Zum Begriff „Demokratie“: Nicht ohne Rechtsstaatlichkeit

Erstaunlich unklar – selbst begrifflich

Die Vorurteile über die Demokratie – man begegnet ihnen selbst bei hochgebildeten Menschen. Und sie beginnen bereits beim Begriff selbst. „Demokratie“ – das könne man leicht übersetzen. Das heiße einfach „Herrschaft des Volkes“ und damit Herrschaft des Durchschnitts.
Doch tatsächlich ist „Demokratie“ in den freien Gesellschaften nur als ein Kürzel für „demokratischer Rechtsstaat“ in Verwendung. Das aber ist eine ganz spezifische Staatsform.

Nur äußerliche Namensgleichheit

Natürlich gibt es, geht man allein vom Begriff aus, scheinbar auch andere Arten von Demokratien: etwa sog. „Volksdemokratien“. Welcher östliche Führer hätte uns das nicht früher gesagt? Und sogar ein junges Mitgliedsland der EU will uns belehren, der demokratische Rechtsstaat sei eben „nur eine“ Variante der Demokratie.
Indes: Ohne Rechtsstaatlichkeit wird eine ganz andere Staatsform daraus. Dann klebt das schöne Etikett „demokratisch“ in Wirklichkeit auf einer bloßen Mehrheitsdiktatur; und weil es eine solche ohne Lenkung kaum gibt, wird daraus üblicherweise eine autoritäre Mehrheitsherrschaft.

Nicht ohne Rechtsstaatlichkeit

Lord Dahrendorf hat gesagt, im Zweifel wäre ihm die rechtsstaatliche Seite wichtiger; und auch historisch hat sich der demokratische Rechtsstaat – unsere Staatsform – aus dem neuzeitlichen Rechtsstaat herausentwickelt.
Es gibt sehr wohl Varianten des demokratischen Rechtsstaats; aber ohne letzteres Merkmal hat man lediglich eine Namensverwandtschaft, ohne Vergleichbarkeit in der Sache. Ähnlich unsinnig wäre es, blaue Autos miteinander zu vergleichen.

Wiege der Demokratie?

Deshalb ist es auch nicht hilfreich, auf die Gründung der Demokratie in der Antike hinzuweisen; damals hätte man unsere heutige Staatsform keineswegs als Demokratie eingestuft, sondern als sog. „gemischte Staatsform“ (genus mixtum), der man – sehr zu Recht – eine viel höhere Stabilität beimaß. Denn sie enthält – in Politik, Verwaltung, Justiz – auch ausgeprägte „aristokratische“ und „monarchische“ Elemente. Was der Funktionalität und Spezialisierung nicht selten sehr dienlich ist.

„Mehr Demokratie“

Das Etikett „demokratisch“ ist dennoch nichts Äußerliches: In rechtsstaatlichen Demokratien regiert letztlich immer jemand, der politisch gewählt wurde (Exekutive). Dasselbe gilt für die grundlegende Gesetzgebung (Legislative). – Und es bedeutet, wie sich zeigen ließe, eine wesentliche Verbesserung des „bloßen“ Rechtsstaats. Mit weit mehr Gerechtigkeit und Fairness; und höherer Funktionalität.
Allerdings sind Demokratien wie Segelboote: Man muss sie auch segeln können; sonst können sie ihre Vorteile nicht entfalten. Das führt uns – immer wieder – zum demokratischen Menschen. Und zu dessen politischer und menschlicher Bildung.
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