Mode und Menschenbild – aus prognostischer Sicht

Für uns als Zukunftsforscher zählt die Kostümanalyse zu den Top-Quellen, um etwas über unsere eigene Zeit wie Zukunft zu erfahren (und nebenbei gesagt, auch über frühere Zeiten und Menschenbilder). In unserem Thinktank „zeitanalyse.de“ diskutieren wir regelmäßig darüber. Einige Einsichten wollen wir hier mitteilen.

 

Mode und Menschenbild in Bewegung

  • Die Mode ist kein reines „Oberflächenphänomen“ – oft heißt es ja „die Launen der Mode“; doch tatsächlich deutet sie auf die Menschen einer Zeit in sehr genauer Weise hin.
  • Daraus folgt für uns PrognostikerInnen: Immer wenn die Mode stärker in Bewegung gerät – dann kann man sicher sein, dass sich auch die Haltungen, das Denken, das Bewusstsein ändern.
  • Die Mode gibt uns sogar viele Hinweise auf das Wie (also die Qualität der Veränderungen): Welches Lebensalter wird idealisiert? Welches Bild, welches Verhältnis der Geschlechter? Und empfinden die Modemacher einer Zeit (m-w-d) – so, wie sie die Kleidung gestalten – eher eine warme Innen- oder eine kalte Außenwelt?

Betrachtet man die Abfolge der Moden, so stellt sich eine weitere Frage:

  • Wird die bisherige Mode nur variiert oder geringfügig abgewandelt, wird also die bisherige „Formenwelt“ fortgesetzt? –
  • Oder vollzieht sich ein Bruch?

Der Verlauf und die Tiefe des Kostümwandels sind große Analysethemen zu unserer Zeit.

 

Gesellschaftlich aufschlussreich
Mode (Kostümgeschichte) führt uns die Gesellschaft ganz unmittelbar vor Augen:

  • Was wird in welchen sozialen Milieus getragen? (Welche Folgerungen lassen sich daraus ablesen?)
  • Wie weit reichen Stile: lokal, regional, zivilisationsweit?

Mode ist immer in den Stil, in das Design einer Zeit (in vielen anderen Lebensbereichen) eingebettet. Sie ist ein Top-Indikator. Immer verrät die Mode, was man zu einer Zeit für wichtig hält. Ein aktuelles Beispiel ist das wachsende Bewusstsein für ökologische und nachhaltige Kleidung wie für innovative Materialien.

 

Frauen-, Männer- und Menschenbild
Nach Barbara Vinkens pointierter Äußerung findet moderne Männermode gar nicht statt. Tatsächlich hat die Männermode seit dem bürgerlichen Zeitalter eine viel reduziertere, weniger reichhaltige, weniger wandelbare „Formensprache“ als die Frauenmode und auch als die Männerkleidung der Vormoderne.
Aber wie kommt man von der Analyse der Frauenmode zu Aussagen über das allgemeine Menschenbild? Es besteht folgender Zusammenhang:

  • Frauenbild –> Männerbild: Wenn das Frauenbild Veränderungen erfährt – dann immer auch das Männerbild.
  • Frauenbild –> Männerbild –> Menschenbild: Und damit sagt uns jede Veränderung (ob des Frauen- oder Männerbildes) immer auch etwas über das Menschenbild schlechthin.

Wie schon angeklungen, lagen die Geschlechterbilder in der modernen Zeit erstaunlich weit auseinander. Nur fürs Militär durfte sich der Mann besonders schmücken. (Die Priester lassen wir außen vor.) Die männliche Freizeitkleidung in jüngerer Zeit brachte immerhin mehr Farbe. Doch nunmehr geraten die Dinge in Bewegung.

 

Aktuell in großer und vielfältiger Veränderung begriffen
Jahrzehntelang hat sich das Frauenbild viel tiefgreifender entwickelt. U.a. entstand eine pluralistischere Formensprache – selbst bei formeller Kleidung. (Man denke an Politikerinnen.)
Diese Pluralität erfasst nunmehr auch das Männerbild – aber in welchem Grad? Und wie wäre das dann im Übrigen zu deuten?
Auch alle anderen aufgezählten Modemerkmale zeigen Veränderungen an. Kurz: Wir leben in einer hochspannenden Epoche!
Christoph mit Stefanie Obermaier