EU – wie retten? (II) Institutionelle Herausforderungen

Die Eurozone hat, wie dargelegt, leider die Tendenz, wichtige Mitgliedstaaten zu schwächen – ökonomisch, gesellschaftlich, politisch. Man muss befürchten, dass, bevor noch je erforderliche Strukturreformen greifen könnten, diese Länder politisch-gesellschaftlich erodiert sind. – Also was tun? Diese Frage betrifft nicht nur das Handlungsziel, sondern auch den Akteur als solchen.

Akteur EU – immer wieder problematische Entscheidungen

Denn die EU weist eine ganze Reihe von hochumstrittenen und hochproblematischen Entscheidungen auf. 2003 war die Unzufriedenheit mit ihr so groß, dass sogar die gesamte Kommission zurücktrat.
Man fühlt sich an einen Pianist erinnert, der gestern noch Mozarts „Alla Turca“ hinmetzelte – und morgen erwarten wir von ihm, dass er Beethovens Waldsteinsonate bewältigt.

Wir (von zeitanalyse.de) sehen keinerlei Lösung – ohne eine institutionelle Verbesserung der EU. Vor allem fehlt eine Regierung, wie man sehr richtig bemerkt hat (Brendan Simms/Benjamin Zeeb).

Für viel einfachere Aufgaben gegründet

Dazu muss man wissen: Die EU (EG) war 1957 für weitaus bescheidenere Zwecke gegründet worden; doch dann, ab der Mitte der 1980er, wurde ihre Macht rasch vergrößert. Das Entscheidungssystem wurde aber nie angeglichen. Ebenso wenig die Bürgernähe. – Man hat uns gesagt, die EU benötige keine staatsähnlichen Merkmale; sie sei eine politische Körperschaft „sui generis“, also von ganz eigener Art.

Schwächend konstruiert

Doch tatsächlich ist die politische Leistungsfähigkeit dieser EU eben doch sehr beeinträchtigt.

Unzureichende Potentiale

Mehrerlei Probleme sind immer wieder zu befürchten:

  • immer neue schwerwiegende Fehlentscheidungen (wegen einer unzulänglichen Entscheidungsvorbereitung wie -kontrolle), denn in der EU ist niemand wirklich verantwortlich,
  • keine kohärente Politik, nach innen wie außen (man denke nur an die peinlich „stückwerksartige“ Politik gegenüber China, Afrika und Russland),
  • fehlende Unterstützung der Mitgliedstaaten, gerade auch bei Problemen, die die EU ihnen eingetragen hat.

EU – führerlos konzipiert

Ein vergleichender Blick in die internationale Staatenwelt unterstreicht diesen seltsamen Sonderweg. Es gibt vier Giganten: neben den Milliardengesellschaften Chinas und Indiens zählen hierzu die EU und die USA. Selbst die Eurozone ist für sich bereits größer als die USA; die ganze EU hat sogar über eine halbe Milliarde Einwohner (und große wirtschaftliche Stärke). – Allerdings gibt eines zu denken: In diesem Quartett der Großen glauben allein wir EU-EuropäerInnen, ohne eine Regierung auszukommen.

Pro EU

Ein bekannter Ausspruch über die Ehe mag manchen in den Sinn kommen. Demnach heiratet man, um gemeinsam Probleme zu lösen, die man alleine nie hätte. – Auf die Eurozone trifft das in beklemmender Weise zu.
Allerdings hat dieser Spruch seine Schwächen. Denn natürlich muss man im Ruder-Achter Probleme lösen, die man im Einer nicht hätte – aber man zieht auch besser ab. Und man muss im Blasorchester Probleme lösen, die der Solist nicht kennt – aber man macht sich auch ganz anders bemerkbar. Und, nun – der Statistik nach leben Junggesellen kürzer.
Andererseits: Keiner ist ein statistischer Fall, sondern immer ein Einzelfall.

Stärke – organisieren

Elf Jahre nach ihrer Gründung, ab 1787, diskutierten die Vereinigten Staaten – damals ein Staatenbund – unversehens, ob sie ein Bundesstaat werden sollten. Die Befürworter – die sog. Federalists – setzten sich durch. Hätte, so darf man fragen, ein Staatenbund USA, ohne politische Führung, den Zwei-Fronten-Krieg des Zweiten Weltkriegs bewältigt? Hätte er überhaupt so lange fortbestanden?
Schon damals wurden wesentliche Argumente – Staatenbund vs. Bundesstaat – zugleich theoretisch durchdacht. Man stellte (in den sog. Federalist Papers) deutlich heraus:

Um einen Staatenbund zu stärken – muss man von ihm abgehen.

Aber zwei Wege

Die EU war für einfachere Aufgaben gegründet worden als jene, die sie an sich gezogen hat und immer weiter an sich zieht. Jetzt ist sie wie eine 120t-Yacht mit der Steuerung für ein Ruderboot. – Und offenkundig stehen zwei Wege offen: Die Steuerung, ja die ganze Schiffsführung der Schiffsgröße anzupassen; oder umgekehrt das Schiff so zu wählen, dass es zum Steuerruder passt.
Wir meinen, die EU sollte beide Wege beschreiten.

Beides sinnvoll

Eine „Freihandelszone EU“ – würde schlagartig viele Beitrittsprobleme entschärfen. Serbien willkommen! Und vielleicht wären auch die sog. Visegrád-Staaten genau hier richtig aufgehoben. Spätere Optionen für diese nicht ausgeschlossen. Aber auch noch für manch andere?
Die „Vereinten Staaten von Europa“ (wie sie Churchill visionär bezeichnet und befürwortet hat)

  • könnten mit einem inhaltlichen „Abspecken“ der europäischen Ebene verknüpft sein.
  • Außerdem könnte man – nach Vorbild der USA – die Übertragung von Rechten der Mitgliedstaaten „nach oben“ endlich stoppen.
Die EU muss Aufwand und Wirkung ins rechte Verhältnis bringen, ebenso wie Können und Dürfen. Sie muss aus der Gefahrenzone heraus – nämlich aus der Zone der Selbstgefährdung.

Sie wäre im Übrigen, ihrem ganzen Selbstverständnis nach, eine friedliche Weltmacht; und eine gute Nachbarin. Und sie könnte eine wirkliche – und längst notwendige – Unterstützung für ihre Mitgliedstaaten werden.
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