Verehrte Leserin, verehrter Leser,
nach intensiven Analysen setzt dieser Blog wieder ein.
Was soll Zukunftsforschung leisten? Nun, eine bekannte Vorgabe steht außer Frage: Picturing the future. Also ein Zukunftsbild entwickeln. Darum geht es in diesem Beitrag.
Picturing the future
Ein solches Zukunftsbild gleicht allerdings, bei guter Analyse, eher einem Film: Wie schließt die Zukunft (mit ihrem Verlauf in den nächsten Jahren und Dekaden) an Gegenwart und Vergangenheit an? – Gibt man uns Zukunftsbilder, die man „freischwebend“ entwirft, ohne vorausgehende „Standortbestimmung“ unserer eigenen Zeit?
Oder gibt man ein umfassenderes Bild des Geschichtsprozesses? – Schon vor hundert Jahren sagte der Theologe und Geschichtsphilosoph Ernst Troeltsch sehr richtig: „Wir haben nur die eine Geschichte“ – die eine Geschichte nämlich, die alle drei Zeitmodi umfasst: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
A picture of (entire) history
An der Schwelle zur Moderne, im 18. Jahrhundert, als das Interesse an der „diesseitigen“ Welt des Wandels zunahm (im selben Grad, in dem man viele jenseitige „Gewissheiten“ distanzierter zu sehen begann) – da gab es eine neue Disziplin: Geschichtsphilosophie. Der Begriff ist so gut – wie, für heutige Menschen, irreführend. Denn die Geschichtsphilosophen (von Giambattista Vico über Voltaire, Herder, Kant, Condorcet bis zum deutschen Idealismus) hatten genau diesen umfassenden Begriff von Geschichte, an den uns Troeltsch erinnert: nicht bei der Vergangenheit stehenbleibend – sondern auf die Zukunft hin ausgerichtet.
Geschichtsphilosophie als Zukunftsphilosophie
Sie fragten:
- Welche Merkmale der bisherigen Geschichte bestimmen deren Verlauf? (Man kann dies die Strukturfrage der Geschichte nennen; noch genauer: Quer- und Längsstruktur.)
- Und daraus wurde die Frage zu klären versucht: Welche Zukunftstendenz (welches Endziel, welches, wie man sagte, „Ende“) ergibt sich daraus?
Die sog. Geschichtsphilosophen hatten also ihre Hauptblickrichtung zur Zukunft hin.
Was wird kommen? Worauf müssen wir uns einstellen?
Wir ErbInnen der Zukunftsphilosophie: Mehr unter Druck, aber bescheidenere Ziele
Und wir modernen ZukunftsforscherInnen sind die Nachfahren dieser Haltung. Und wir fragen ganz ähnlich – aber bescheidener und druckvoller zugleich – nach der Geschichte:
- Insbesondere heißt das zu fragen, ob irgendwelche „Megafaktoren“ bislang fehlen – die dringend ins Bild der Vergangenheit wie Zukunft gehören: weil sie uns sonst „kalt erwischen“ können. (Eine ganze Reihe davon lernen wir gerade ernster zu nehmen: von der künstlichen Intelligenz bis zu ökologischen Veränderungen.)
- Auch die alte berühmte Frage nach dem Endziel der Geschichte hat für uns moderne ZukunftsforscherInnen einen bescheideneren Charakter angenommen: möglichst für die nächsten Jahre und Dekaden halbwegs fundiert und treffend zu prognostizieren.
Dieses Bedürfnis nach einem „Endziel“ hatte in der Vergangenheit schreckliche Folgen: Linke und rechte Ideologien, im 19. Jahrhundert konzipiert, sagten den Menschen, dieses gute Ziel könne nur im Endsieg der eigenen Rasse oder Klasse bestehen – und man müsse sich dahin letztlich „durchmorden”. Im 20. Jahrhundert wurden diese Lehren realisiert – und machten es, in vielen Regionen, zum schrecklichsten Jahrhundert der Geschichte überhaupt.
Gewiss brauchen wir heute keine Stimmen, die uns diese alten, folgenschweren Ideen erneut verkaufen wollen.
Megafaktor menschlicher Wandel
Umso mehr stellt sich eine Aufgabe: Ein modernes, analytisch gewonnenes (nicht-ideologisches) Geschichtsbild immer weiter zu ergänzen.
Bereits im 19. Jahrhundert – in der Frühzeit moderner Geschichtsforschung – wies man auf einen Megafaktor hin, der unbedingt ins Monitoring aufgenommen werden muss: Im Hintergrund der geschichtlichen Welt vollzieht sich ein machtvoller Wandel – des Menschen selbst (H. Taine). Der Autor, zeitanalyse.de, widmet ihm höchste Aufmerksamkeit.
Zyklisch eintretende (und verlaufende) Orientierungskrisen
Hätte man den menschlichen Wandel nur längst auf dem Bildschirm gehabt!
- Denn es zeigt sich, dass unser Menschsein zyklisch eintretende Schwächezeiten erfährt.
- Woher kommen sie? Durch weitere Analysen erlangt man zur Schlüsselerkenntnis: Es gibt regelmäßige Orientierungskrisen.
Also: Diese Neuorientierung wird gegen 2050 abgeschlossen.
Und: Alle Befunde über die jüngeren Altersgruppen fügen sich in dieses Bild und stützen diese Prognose (auch zeitlich).
Unterstützung der Jüngeren
Ganz wichtiges Element des Zukunftsbildes: Nichts geschieht in der Geschichte automatisch; alles nur, weil Menschen denken, planen, handeln, gestalten, beobachten, erkennen und Dinge voranbringen. Dies geschieht auf sämtlichen Ebenen des Lebens. (Nebenbei: Es gehört zu den Superstärken der Demokratie, genau darauf zu setzen.)
Aber man sollte auch sehen: Dieses gute Zeitalter setzt voraus, dass bis dahin keine zu großen Störungen eintreten, dass nicht zu viel (weltpolitisches, weltwirtschaftliches) Porzellan zerschlagen wird.
Das Lebensgefühl sagt heute den Menschen (scheinbar), man säße ja nur auf dem Beifahrersitz. Tatsächlich sind genau diese Generationen heute – durch alle Altersgruppen – die wichtigsten aller Zeiten. Auf jede(n) von uns kommt es an.
Zeittafel
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- Aktuell vollzieht sich ein rascher Übergang in eine neuartige Kultur (und Sicht der Dinge). Dieser Übergang wird schon um 2020 ans Ziel kommen.
- Er mündet in ein zunächst sehr abgekühltes Lebensgefühl – worauf bald eine Beruhigung einsetzt.
- Sie schafft, noch in der ersten Hälfte der 2020er Jahre (und sofern der Ablauf nicht weltpolitisch gestört wird), viele Voraussetzungen für eine emotionale Erholung, eine Hoch- und Boomzeit der weiteren Dekade.
Ausblick: Picturing the methods
Ausblick für den Blog: Wir müssen bald einmal ein ergänzendes „Picturing“-Thema durchnehmen: das Bild der Forschungen. Wie erforscht man den menschlichen Wandel? Durch welche Methoden gelangt man in diesen verborgenen, aber zentralen Bereich der geschichtlichen Welt? Welche Abenteuer erwarten uns auf diesem Weg? („Methode“ heißt ja Weg – Weg der Wahrheit, freier: Weg der Erkenntnis.)
co